Wahl des/der Bundespräsident/in am 30.6.2010

Der Rücktritt von Horst Köhler vom Amt des Bundespräsidenten wirft einige Fragen auf. Zweifellos gebührt dem Amt des Bundespräsidenten in unserer Demokratie größter Respekt. Wann immer man sich kritisch zu dem äußert, was der Bundespräsident verlautbart, sollte man noch einmal nachdenken, bevor man spricht. Allerdings ist in unserer Verfassung nicht vorgesehen, dass das Staatsoberhaupt nicht kritisiert werden darf!

Die Äußerungen Köhlers zu militärischen Einsätzen, notfalls auch um die wirtschaftlichen Interessen Deutschlands durchzusetzen, waren nicht nur missverständlich. Aus meiner Sicht waren sie falsch.

Wörtlich hatte Köhler gesagt: „Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen. Alles das soll diskutiert werden und ich glaube, wir sind auf einem nicht so schlechten Weg.“

Meiner Meinung nach sollte genau das nicht der Weg der deutschen Außenpolitik sein. Bei der Sicherung der Seewege am Horn von Afrika beispielsweise, an dem die Bundeswehr im Rahmen der UNO-Operation ATALANTA beteiligt ist, geht es insbesondere um die Sicherheit der Schiffe, die dort fahren. Es ist völlig egal, ob sie Güter oder Personen transportieren und woher diese kommen.  Es geht allein darum, dafür zu sorgen, dass Schiffe dort ungehindert passieren können und die Menschen auf den Schiffen nicht um Leib und Leben bangen müssen. Wenn nun das deutsche Staatsoberhaupt diese Einsätze allein unter eine wirtschaftliche Zielsetzung stellt, dann muss das meiner Meinung nach in einer lebendigen Demokratie diskutiert und auch kritisiert werden. Und der Bundespräsident muss das aushalten! In dem überraschenden Rücktritt sehe ich jedenfalls keinen angemessenen Schritt.

Die Bundesversammlung muss nun am 30. Juni ein/e Amtsnachfolger/in wählen. Eine Broschüre des Bundestags informiert ausführlich über die Aufgaben und die Zusammensetzung der Bundesversammlung. Wir haben einige wichtige Informationen dazu, wie es jetzt weiter geht, hier zusammen gestellt:

Da der Bundespräsident – im Gegensatz zu einer Bundesregierung – keiner Amtierungspflicht unterliegt, übernimmt der Vorsitzende des Bundesrats, der Bremer Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD), kommissarisch die Geschäfte. Diese Übergangszeit darf aber laut Artikel 54, Absatz 4 des Grundgesetzes maximal 30 Tage betragen. Der Bundestagspräsident muss innerhalb dieser Frist die Bundesversammlung einberufen, die dann eine/n neue/n Bundespräsident/in wählen wird. Die einzige Aufgabe der Bundesversammlung ist eben diese Wahl. Sie setzt sich aus allen Bundestagsabgeordneten und der gleichen Anzahl von Vertreterinnen und Vertreter aus den Bundesländern zusammen, die von den Landtagen gewählt werden. Die genaue Zusammensetzung der einzelnen Fraktionen ist momentan noch unklar, eine Mehrheit von Union und FDP gilt aber als sicher. Horst Köhler ist der erste Bundespräsident, der von seinem Amt zurücktritt. Der Bundespräsident ist verfassungsgemäß das Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland, der jedoch hauptsächlich repräsentative Tätigkeiten wahrnimmt aber auch jedes vom Bundestag verabschiedete Gesetz unterzeichnen muss.