Weitere Schritte zur Lösung der Schuldenkrise im Euro-Raum

Kurz vor Beginn des Europäischen-Gipfels in Brüssel am 26. Oktober hat Bundeskanzlerin Angela Merkel vor dem Deutschen Bundestag eine Regierungserklärung abgegeben. Darin hat die Kanzlerin das Parlament über die nächsten möglichen Schritte zur Stabilisierung des Euro informiert. In der gleichen Sitzung wurden die insgesamt neun Mitglieder für ein Sondergremium gewählt, das sich künftig mit den Maßnahmen zur Euro-Stabilisierung befassen soll.

In der Aussprache stimmte die SPD-Fraktion einem gemeinsamen Entschließungsantrag von CDU/CSU, FDP, SPD und Grünen zu. In dem Antrag werden die Instrumente und Schritte dargelegt, für die sich die Bundesregierung zur Rettung des Euro einsetzen sollte. Mit diesem Mandat konnte Angela Merkel am Mittwoch Abend nach Brüssel zu den nächsten Verhandlungen reisen. Es finden sich darin auch wesentliche Kernforderungen der SPD-Fraktion wieder.

So ist es der SPD zu verdanken, dass die großen Banken aufgefordert werden, sich in eigener Verantwortung zu rekapitalisieren. Das bedeutet, dass sie ihre Finanzstruktur ändern und vor allem stabiler gestalten müssen. Insbesondere geht auf das Konto der Sozialdemokraten auch der Punkt, dass die Vorschläge der Europäischen Kommission zur Finanztransaktionssteuer direkt nach dem G20-Gipfel Anfang November 2011 in den Gremien der EU entschieden werden sollen. Insbesondere die FDP hat das vor drei Wochen noch rigoros abgelehnt.

Ergebnisse der Sitzung des Europäischen Rates vom 26. Oktober
In der Nacht zum 27. wurden folgende konkrete Ergebnisse vom Europäischen Rat erzielt:

Schuldenschnitt für Griechenland: Nach schwierigen Verhandlungen hat sich der EU-Gipfel mit den privaten Gläubigern auf einen Schuldenschnitt von 50 Prozent geeinigt. Griechenland muss damit nur die Hälfte seiner Verbindlichkeiten zurückzahlen. Damit werden Banken und Versicherungen stärker am neuen Griechenland-Paket beteiligt als bisher geplant.

Zweites Hilfspaket für Griechenland: Griechenland wird ein neues Hilfspaket von 100 Milliarden Euro bekommen. Es soll bis Jahresende endgültig ausverhandelt sein.

Erweiterter EFSF-Rettungsschirm mit zwei Hebel-Varianten: Der Rettungsschirm EFSF (Europäische Finanz-Stabilisierungs-Fazilität) wird mit einem sogenannten Hebel auf eine Billion Euro vervielfacht. Dabei kommen zwei Varianten des Hebels parallel zum Einsatz: Einerseits bietet die EFSF eine Art Teilkaskoversicherung auf frische Anleihen von Schuldenstaaten. Bei einem Zahlungsausfall übernimmt damit der Rettungsschirm einen Teil des Risikos privater Anleger. Zudem soll ein neuer Sondertopf geschaffen werden, an dem sich der Internationale Währungsfonds (IWF) beteiligt. Dieser Fonds investiert in Anleihen, die die EFSF ebenfalls zum Teil absichert.

Banken sollen solider werden: Europas Großbanken sollen ihr Eigenkapital aufstocken und künftig neun Prozent Kernkapital vorhalten, um den Ausfall von Anleihen aus Euro-Problemländern abfedern zu können.

Aufgaben für Spanien: Spanien muss weitere Maßnahmen zur Konsolidierung seiner Finanzen ergreifen. Die spanische Regierung soll die Wirtschaft ankurbeln und die hohe Arbeitslosigkeit abbauen. Auch sollten die Tarifverträge flexibler gestaltet werden und die Unternehmen wettbewerbsfähiger wirtschaften.

Italien: Um die Situation in Italien zu stabilisieren hat Staatschef Silvio Berlusconi angekündigt, dass von 2026 an Männer und Frauen in Italien mit 67 Jahren in Rente gehen sollen. Außerdem soll für fünf Milliarden Euro pro Jahr Staatseigentum privatisiert werden.

Über die Ergebnisse des Gipfels wird der Deutsche Bundestag in der nächsten Sitzungswoche beraten.

Was bedeutet „Hebeln“?
Das Stichwort „Hebel“ steht für einen Mechanismus, der auch als Versicherungslösung bezeichnet werden kann. In diesem Modell sollen die Mittel der EFSF dafür eingesetzt werden, einen Teil des Risikos für die Käufer von Staatsanleihen (also Wertpapieren, zum Beispiel von Frankreich oder Spanien) “zu versichern”. Dabei stand immer eine Größenordnung von 20 Prozent im Raum. Kurz gesagt, würde das bedeuten, dass die EFSF bei einem Schuldenerlass bzw. bei einem Zahlungsausfall den Investoren die ersten 20 Prozent ihrer Verluste absichert. Es ist das Prinzip einer Teilkaskoversicherung. Für private Investoren sinkt dadurch das Risiko. Dies soll dazu führen, dass das Vertrauen in Europäische Staatsanleihen steigt und diese auch gekauft werden. Damit könnte die EFSF ihre Mittel vervielfachen – also „hebeln“.

Im Kern gibt es zwei Einwände gegen dieses Modell. Zu einen, ob es für Investoren attraktiv ist, Staatsanleihen zu kaufen, wenn ihnen im schlimmsten Fall lediglich 20 Prozent Fall garantiert werden. Zum anderen die Frage, ob sich durch die Hebelung das Ausfallrisiko erhöhe. Genauer gesagt: Deutschland würde weiterhin ‘nur’ mit 211 Mrd. Euro haften, aber – so die Befürchtung – wenn nun mit höheren Summen operiert werde, steige auch das Risiko, dass es zu Ausfällen komme, also die Wahrscheinlichkeit, dass die 211 Mrd. auch tatsächlich in Anspruch genommen werden müssten.

Weitere Informationen und Erklärungen zum EFSF und ESM können in einem der letzten Infodienste nachgelesen werden:
https://www.oliver-kaczmarek.de/2011/09/verantwortung-fur-europa-–-euro-rettungsschirm-efsf-starken

Den gemeinsame Entschließungsantrag von CDU/CSU, FDP, SPD und Grüne finden Sie unter: http://dip.bundestag.de/btd/17/075/1707500.pdf

Der Entschließungsantrag der SPD-Bundestagsfraktion kann hier herunter geladen werden: http://dip.bundestag.de/btd/17/074/1707457.pdf