Parlamentarische Aufarbeitung der Mordserie rechtsextremer Terroristen und der Arbeit der Sicherheitsbehörden
Die von einer rechtsterroristischen Gruppe verübten Morde zählen zu den schwersten Verbrechen, die die Bundesrepublik erlebt hat. Sie markieren einen Einschnitt. Niemand kann mehr den Versicherungen Glauben schenken, dass es organisierten rechten Terror in Deutschland nicht gebe. Mit Entsetzen stehen wir vor den Taten einer Gruppe, die über viele Jahre hinweg mit menschenverachtendem Eifer gemordet hat. Sie haben mit kaum vorstellbarer Grausamkeit Menschen erschossen, weil sie nicht deutscher Herkunft waren. Sie waren organisiert, sie waren vernetzt, sie hatten Helferinnen und Helfer. Sie kamen aus einem Umfeld, in dem rassistische Ideologie zum guten Ton gehört. Und auch das ist schreckliche Gewissheit: Sie konnten über viele Jahre unbehelligt rauben und morden, obwohl sie dem Verfassungsschutz bekannt waren. Der Staat konnte die Opfer nicht schützen. All das macht uns fassungslos. Aber es darf uns nicht sprachlos machen: Die Aufklärung der Taten, der rechten Netzwerke und des Versagens der Verfassungsschutzämter ist jetzt die erste Pflicht. Wir können nicht davon ausgehen, dass heute schon alles bekannt ist, was wir wissen müssen. Deshalb fordert die SPD-Bundestagsfraktion zuallererst die rückhaltlose und öffentliche Aufarbeitung der rechtsterroristischen Mordserie. Was ist geschehen? Wer war beteiligt? Was wussten die Ämter? Was ist bei Verfassungsschutz und Polizei schief gelaufen? Vor allem die Angehörigen der Opfer haben ein Recht auf Antworten. Die Aufklärungsarbeit muss jetzt einher gehen mit einem starken Zeichen der Solidarität und des Mitgefühls für die betroffenen Familien.
Gemeinsamer Entschließungsantrag aller Fraktionen
Am Dienstag dieser Woche begann die Plenarsitzung mit einer Debatte zu der Mordserie. Die Fraktionen im Bundestag haben einen gemeinsamen Entschließungsantrag eingebracht, der einstimmig verabschiedet wurde. Darin bekunden sie ihre Trauer um die Mordopfer der Neonazi-Bande und ihr Mitgefühl mit den Angehörigen der Opfer. Sie äußern die Erwartung, dass die Morde zügig aufgeklärt und ihre Zusammenhänge umfassend ermittelt werden. Zugleich betonten sie, dass dem Extremismus entschieden entgegengetreten werden muss. Man ist entschlossen, die politisch-gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Rechtsextremisten und ihren Verbündeten fortzusetzen und die Konsequenzen für die Arbeit der Sicherheitsbehörden rasch zu ziehen.
Konsequenzen ziehen / NPD Verbotsverfahren
Die Aufhellung der Straftaten wird Folgen haben müssen. Wir müssen entscheiden, wie wir die Aufklärung des organisierten Rechtsextremismus und die Verhütung von Verbrechen sicherstellen können. Wir müssen die Rolle der NPD bewerten, die als Schutzraum und als legale Infrastruktur dient, um verfassungsfeindliche Taten ideologisch vorzubereiten und den Tätern im Halbschatten des rechten Umfelds Unterstützung zu geben. Die NPD hat sich dem aggressiven Kampf gegen unsere Demokratie und gegen die Grundrechte unserer freiheitlichen Ordnung verschrieben. Trotzdem erhält sie Gelder aus öffentlichen Kassen. Hier nähren sich die Feinde der Demokratie an den Ressourcen des Staates, den sie zerstören wollen. Erst ein Verbot der NPD kann diese rechtsextremistische Strategie unterbinden. Als 2003 Rot-Grün ein solches Verbot zuletzt durchsetzten wollte, stoppte das Bundesverfassungsgericht das Vorhaben, weil die Rolle der sogenannten V-Leute nicht klar strukturiert war. In vielen Fällen weiß man zum Beispiel nicht, welche Aktivitäten innerhalb der NPD von den V-Leuten gesteuert werden. V-Leute sind Vertrauenspersonen für Geheimdienste, die in die NPD eingeschleust werden. Wir werden die Rolle von V-Leuten im Zusammenhang mit der rechtsterroristischen Gruppe aufklären müssen. Wir werden entscheiden müssen, wo V-Leute nichts nutzen. Ein neues NPD-Verbotsverfahren darf nicht daran scheitern, dass einzelne Länder die V-Leute ihrer Verfassungsschutzämter nicht aus den Führungszirkeln der NPD zurückziehen.
Eines dürfen wir bei allen Diskussionen über Strafverfolgung und Verbote niemals vergessen: Den Anfängen rechtsextremer Gewalt können wir nur wehren, wenn die Bürgergesellschaft stark wird und sich zusammenschließt im Kampf gegen die Demokratiefeinde. In den vergangenen Jahren sind viele zivilgesellschaftliche Initiativen entstanden, die in den Kommunen gegen Ausländerfeindlichkeit und rechtsextreme Ideologie aktiv sind. Sie verdienen unsere Ermutigung und Unterstützung. Denn im Alltag und unabhängig von Schlagzeilen wehren sie sich gegen die Angst, die Rechtsextreme verbreiten. Sie sind auf der Straße und auf den Plätzen, um den öffentlichen Raum für die Demokratie zurückzugewinnen. Sie gehen in Schulen und Vereine, um aufzuklären. Ermutigung und Unterstützung hat auch mit Geld zu tun. Wir müssen dafür sorgen, dass diese Initiativen weiter machen können.
Den gemeinsamen Entschließungsantrag aller fünf Fraktionen finden Sie unter:
http://dip.bundestag.de/btd/17/077/1707771.pdf