Erste Lesung zu Fiskalpakt und Euro-Rettungsschirm
In dieser Woche begannen die Verhandlungen zwischen Regierungskoalition und Opposition über den sogenannten europäischen Fiskalpakt. Um künftige Finanzkrisen in der Europäischen Union zu vermeiden, soll der Fiskalpakt (Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion) die Haushaltsdisziplin und die politische Zusammenarbeit in der Wirtschaftspolitik stärken. Die 17 Euro-Länder und neun weitere EU-Staaten wollen mit dem Fiskalpakt strengere Haushaltsregeln beschließen.
Um den Vertrag in Deutschland zu ratifizieren, bedarf es einer Zweidrittelmehrheit im Deutschen Bundestag. Die notwendige Mehrheit wird also nur zustande kommen, wenn große Teile der Opposition für eine Unterstützung gewonnen werden. Die SPD-Fraktion will, dass so schnell wie möglich eine Einigung erzielt wird, aber wir nehmen uns die Zeit, so ruhig und seriös wie nötig zu beraten. Verfassungsrechtliche Fragen über die Auswirkungen des Fiskalpaktes auf Bund und Ländern bleiben, und die Bundesregierung hat die Pflicht, an der Aufklärung dieser Fragen mitzuwirken.
Am Donnerstag wurde erstmals über die Verträge zum europäischen Fiskalpakt und zur Einrichtung und Finanzierung des ständigen Euro-Rettungsschirm (ESM) im Plenum des Deutschen Bundestags diskutiert. Die SPD-Bundestagsfraktion hat vor allem zwei Forderungen in die Debatte eingebracht:
Sparen allein reicht nicht – Ein Wachstumsprogramm für Europa
Ein Reformprozess kann nicht nur auf Haushaltskürzungen beruhen. Die Wirtschaft in Griechenland ist zusammengebrochen So etwas schürt Unmut und kann zu politischer Instabilität führen. Zudem brechen die Steuereinnahmen weg, was die Haushaltslage in den Ländern weiter verschärft. Der von der Bundesregierung verfolgte Ansatz, mit immer neuen Sparbemühungen aus der Krise zu kommen, kann nicht funktionieren, weil Griechenland so nicht in die Lage kommt, aus eigener Kraft für Wachstum zu sorgen und die Kredite an die Staatengemeinschaft zurückzahlen zu können.
Neben den klar notwendigen Anpassungsmaßnahmen und Reformen in den Krisenländern Europas muss diesen Staaten und den Menschen dort eine Wachstumsperspektive eröffnet werden. Die SPD-Fraktion hat schon früh einen Strategiewechsel eingefordert. Unsere Forderung nach einem Programm für den industriellen Wiederaufbau in Europa, auch in Griechenland und anderen südeuropäischen Staaten, ist kein Ersatz für eine Spar- und Reformpolitik. Ein solcher Aufbauplan ist eine zwingend notwendige Ergänzung und Voraussetzung, um den Erfolg von Spar- und Reformbemühungen überhaupt erst möglich zu machen.
Die Finanzmärkt an den Kosten beteiligen – Einführung einer Finanztransaktionssteuer
Umfassende Investitionen brauchen eine Einnahmequelle, damit die Staaten nicht in die nächste Verschuldungsspirale eintreten. Diese Einnahmequelle ist die Finanztransaktionssteuer. Sie ist gerecht, weil sie die Finanzmärkte angemessen an den Kosten einer Krise beteiligt, die von den Finanzmärkten ganz wesentlich ausgegangen ist. Zielgruppe sind also Banken, Hedgefonds, Devisenspekulanten oder Wertpapierhändler, die vornehmlich am kurzfristigen Profit interessiert sind. Das Wiener Wirtschaftsforschungsinstitut hat berechnet, dass allein Deutschland bei einem Steuersatz von 0,05 Prozent zwischen 10 und 20 Milliarden Euro jährlich einnehmen könnte. Diese Einnahmen könnten in Bildung, Forschung und Entwicklung sowie in die Konsolidierung der Staatsfinanzen investiert werden.
Mitglieder der Europäischen Kommission und verschiedene Europäische Regierungschefs, wie der französische Präsident Nicolas Sarkozy, haben sich bereits für eine Finanztransaktionssteuer ausgesprochen. Auch in der Bundesregierung war von Finanzminister Wolfgang Schäuble und Bundeskanzlerin Angela Merkel die Bereitschaft zur Einführung einer solchen Steuer zu vernehmen. Der Blockierer bleibt die FDP. Sie meint weiterhin ihre Klientel schützen zu müssen und versteckt sich hinter dem Argument, dass diese Steuer nur Sinn mache, wenn sie weltweit oder zumindest in ganz Europa eingeführt würde. Dabei schaut aktuell ganz Europa auf Deutschland. Wir sind jetzt aufgefordert, den ersten Schritt zu tun. Wenn die anderen Staaten erkennen, welche Vorteile diese Steuer hat, werden sie nachziehen. Deswegen plädieren wir dafür, mit einer Koalition der Willigen voran zu gehen und die Steuer endlich einzuführen.
Kernpunkte des Fiskalpakts
Schuldenbremse und Schuldenabbau: Angestrebt werden nahezu ausgeglichene Haushalte. Das jährliche Staatsdefizit eines Landes darf 0,5 Prozent der Wirtschaftskraft nicht übersteigen. Das ist weniger streng als die Schuldenbremse für den Bund, die in Normalzeiten ab 2016 bei 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegen darf. Kontrovers bleibt, dass Deutschland eigentlich auf einer Verankerung der Schuldenbremse in den jeweiligen Verfassungen gepocht hatte. Dies ist aber besonders für Länder mit angelsächsischem Rechtssystem schwierig. Also steht im jetzigen Vertrag nur noch, dass die Schuldenbremse eingeführt werden soll, nicht aber, dass sie in der Verfassung verankert werden muss.
Defizitverfahren: Wird die Obergrenze bei der Neuverschuldung verletzt, soll das sogenannte Defizitverfahren automatisch ausgelöst werden. Das bedeutet: Ein Staat kann nicht mehr einfach das Ziel verletzen, ohne dass jemand protestiert und Maßnahmen eingeleitet werden. Nur eine qualifizierte Mehrheit – das sind etwa 60 oder 70 Prozent der Unterzeichner des Fiskalpakts – kann verhindern, dass ein Defizitverfahren eingeleitet wird.
Sanktionen: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) soll überprüfen, ob die Staaten die Schuldenbremse und die Defizitregeln umsetzen. Nach dem jüngsten Vertragsentwurf kann das Gericht ansonsten Geldstrafen verhängen.
Inkrafttreten: Der Pakt soll spätestens Anfang 2013 in Kraft treten, sofern bis dahin zwölf Euro-Länder den Text ratifiziert haben. Innerhalb einer Frist von maximal fünf Jahren soll der Pakt in den EU-Vertrag integriert werden.
Verknüpfung mit dem Europäischen Rettungsschirm: Wie von Deutschland gefordert, soll der Fiskalpakt mit dem im Juli startenden dauerhaften Europäischen Rettungsschirm ESM (Europäischer Stabilitäts-Mechanismus) verknüpft werden. ESM-Hilfen sollen also nur die Euro-Länder erhalten, die auch den neuen Fiskalpakt unterzeichnet haben.