Bundesregierung muss nationale Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung ausrufen

Zum Beschluss des Antrages „Alphabetisierung und Grundbildung in Deutschland fördern –
Für eine nationale Alphabetisierungsdekade“ in der SPD-Bundestagsfraktion, erklären der zuständige Berichterstatter, Oliver Kaczmarek, Mitglied im Ausschuss für Bildung und Forschung und der bildungs- und forschungspolitische Sprecher Dr. Ernst Dieter Rossmann:

Wenn wir 7,5 Millionen funktionale Analphabeten in Deutschland nicht am Rande der Gesellschaft stehen lassen wollen, brauchen wir mehr Engagement, Kooperation und finanziellen Einsatz. Was die Bundesregierung bisher vorgelegt hat, ist entschieden zu wenig. Die SPD-Bundestagsfraktion hat bereits im Mai 2011 in einem Antrag die Verbesserung der Alphabetisierungsarbeit gefordert. Vor dem Hintergrund der weiterhin unzureichenden Vorlagen der Bundesregierung und der Diskussionen der letzten Monate erweitern wir unsere Forderungen um die Umsetzung einer nationalen Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung. Zentrale Ziele einer solchen auf Nachhaltigkeit angelegten Dekade müssen sein:

• größtmögliche Reduzierung der Zahl der funktionalen Analphabeten von derzeit 7,5 Millionen, mindestens eine Halbierung;
• Schaffung von dauerhaften und tragfähigen Strukturen sowie eines nachhaltigen Netzwerkes der Akteure der Grundbildungsarbeit als Teil des allgemeinen Weiterbildungssystems in Deutschland;
• schrittweise Erhöhung der Anzahl der Kursplätze für Alphabetisierung und Grundbildung an den Volkshochschulen und weiteren Trägern auf mindestens 100.000 jährlich;
• verbindliche Vereinbarung über den dauerhaften Mitteleinsatz der jeweiligen politischen Ebene;
• Aufbau eines positiven Klimas und von niedrigschwelligen Strukturen für mehr Lese- und Schreibfähigkeit, z.B. über „einfache Sprache“.
• Sensibilisierung der Öffentlichkeit und Aufklärung über Ursachen fehlender Grundbildung und Möglichkeiten der Anspreche und Unterstützung Betroffener;

Seit Anfang 2011 wissen wir durch die leo. – Level-One Studie der Universität Hamburg, dass 7,5 Millionen Menschen in Deutschland funktionale Analphabeten sind. Nach Veröffentlichung der Studie hat die Bundesbildungsministerin medienwirksam angekündigt, einen gesellschaftlichen Pakt für Alphabetisierung und Grundbildung zu initiieren. Viel blieb von der Ankündigung nicht übrig. Schließlich verkündete die Bundesbildungsministerin gemeinsam mit dem Präsidenten der Kulturministerkonferenz Ende 2011 Elemente für eine „Nationale Strategie“ im Kampf gegen Analphabetismus und kündigte ein Programm zur arbeitsplatzorientierten Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Alphabetisierung und Grundbildung an. Allerdings weisen die Vereinbarungen kaum konkrete Maßnahmen oder Ziele auf. Die Länder, die unter großem finanziellen Druck stehen, konnten in vielen Fällen noch keine Aussagen zu ihren finanziellen Möglichkeiten machen. Der Bund muss hier auch finanziell eine Vorreiterrolle einnehmen, doch von Seiten der Bundesregierung wird die Verantwortung über wesentliche Maßnahmen auf die Länder und Kommunen abgeschoben. So ist der konkrete Teil des Programms des Bundesbildungsministeriums letztlich lediglich mit 20 Millionen Euro über drei Jahre ausgestattet, d.h. knapp 7 Millionen Euro pro Jahr bei 7,5 Millionen funktionalen Analphabeten. Dies ist ein völlig unzureichender Beitrag des Bundes.