ESM und Fiskalpakt: Notbremse gegen die Krise der Finanzmärkte

Was ist der Europäische Stabilitätsmechanismus?

Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) ist als internationale Finanzorganisation zur dauerhaften Krisenverhütung in der Eurozone konzipiert. Ursprünglich sollte er ab Mitte 2013 den im Jahre 2010 geschaffenen zeitlich befristeten Euro-Rettungsschirm EFSF ablösen. Angesichts der zwischenzeitlichen Verschärfung der Krise im Euroraum beschloss der Europäische Rat zum Jahreswechsel 2011/12 ein Vorziehen des ESM auf Mitte 2012. Die Europäische-Finanzmarkt-Stabilisierungsfaszilität (EFSF) läuft zunächst parallel dazu weiter.

Der ESM ist mit einem Stammkapital von insgesamt 700 Mrd. € ausgestattet. Anders als bei der EFSF müssen die Mitglieder der Eurozone bis Anfang 2014 einen Teilbetrag von insgesamt 80 Mrd. € einzahlen. Für die restlichen 620 Mrd. €, die so genannten „abrufbaren Anteile“, sagen die Euro-Mitgliedstaaten die jederzeitige Einzahlung auf Anforderung des ESM unwiderruflich zu. Die Anteile der einzelnen Euro-Staaten an den Bareinlagen sowie der von ihnen aufzubringenden Garantiesumme richtet sich nach den jeweiligen Anteilen am Kapital der Europäischen Zentralbank. Der Anteil Deutschlands beträgt gut 27,1 %, dies entspricht 21,7 Mrd. €. Dementsprechend liegen die abrufbaren Anteile für Deutschland bei insgesamt 168,3 Mrd. €.

Zur Gewährleistung des AAA-Ratings für den ESM sind 200 Mrd. € des Stammkapitals als „Übersicherung“ vorgesehen. Das maximale Kreditvergabevolumen des ESM beträgt daher 500 Mrd. €. Die EFSF hat zurzeit ein maximales Vergabevolumen von 440 Mrd. €, von denen knapp 200 Mrd. € bereits durch die Zusagen an Griechenland, Portugal und Irland gebunden sind. Für die Zeit der Parallelexistenz von ESM und EFSF ist zunächst eine maximale Kreditvergabekapazität von insgesamt 500 Mrd. € festgelegt.

Im Bedarfsfall kann der ESM krisenbedrohten Euro-Staaten Hilfen in fünf Formen gewähren: Durch vorsorgliche Kreditlinien, durch Mittel zur Bankenrekapitalisierung, durch Darlehen sowie durch Anleihekäufe auf dem Primär- oder dem Sekundärmarkt. Über Umfang und Form von Hilfen an ein Mitglied wird nur auf dessen Antrag hin entschieden. Sie werden nur gegen „strenge, dem gewählten Instrument angemessene“ Auflagen gewährt. Ein makroökonomisches Anpassungsprogramm kann, muss aber nicht Teil der Auflagen sein. Der ESM sieht ausschließlich rückzahlbare Hilfen für die Nehmerländer vor.

Der ESM sieht vor, dass im sogenannten „Gouverneursrat“ (bestehend aus den Finanzministern der Eurogruppe) Beschlüsse über Hilfeleistungen und Mandatierungen der EU-Kommission zur Aushandlung der entsprechenden Auflagen sowie Beschlüsse zur Veränderung der finanziellen Ausstattung des ESM und des Ausleihevolumens grundsätzlich einvernehmlich gefasst werden. Enthaltungen stehen einer Beschlussfassung nicht entgegen. Im Rahmen seiner haushaltspolitischen Gesamtverantwortung bleibt das Plenum des Deutschen Bundestages jedoch für alle Grundsatzentscheidungen über die Gewährung von Hilfen verantwortlich (Ausnahmen: Eilbedürftigkeit, besonderes Verfahren bei Hilfen durch Anleihekäufe). Die Entscheidung des Deutschen Bundestages bindet den deutschen Vertreter im Gouverneursrat.

Künftige ESM-Darlehen erhalten, ebenso wie die Beistandsdarlehen des IWF (allerdings nachrangig zu diesen), einen bevorzugten Status. Sie müssen vom Schuldner vor allen sonstigen Verbindlichkeiten bedient werden. Zudem müssen ab Anfang 2013 alle in der Eurozone emittierten Staatsanleihen sogenannte „collective action clauses (CACs) enthalten, die gegebenenfalls einen Schuldenschnitt zu Lasten der Inhaber leichter durchsetzbar machen würden.

Was ist der Fiskalpakt?

Die Bewältigung der Staatsschuldenkrise soll durch eine verstärkte Haushaltsdisziplin für ganz Europa begleitet werden. Gleichzeitig ist es erforderlich, die Rahmenbedingungen für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung durch gezielte, strukturelle Maßnahmen zur Stärkung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit und Investitionen zur Schaffung von Arbeitsplätzen zu verbessern. Der Fiskalvertrag soll dabei einen Baustein darstellen, um die Zielsetzung einer Weiterentwicklung der Wirtschaft- und Währungsunion zu einer fiskalpolitischen Stabilitätsunion dauerhaft zu verwirklichen. Darauf haben sich 25 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union geeinigt. Die Verträge wurden am Freitag durch Bundestag und Bundesrat ratifiziert. Der Bundespräsident hat jedoch angekündigt, die Ausfertigung des Gesetzes bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über verschiedene Klagen auszusetzen.

Bund und Länder bekennen sich mit den Verträgen zu ihrer gemeinsamen Verantwortung, die Vorgaben des Fiskalvertrages und des reformierten Stabilitäts- und Wachstumspakt zu erfüllen. Sie stimmen darin überein, dass Deutschland mit den verfassungsrechtlich verankerten Schuldenregeln und der begleitenden Einrichtung des Stabilitätsrats bereits umfassende institutionelle und rechtliche Regelungen verabschiedet hat, die die langfristige Tragfähigkeit der Haushalte von Bund und Ländern sichern.

Verhandlungsergebnis Bundesregierung – Opposition:

Die SPD ist überzeugt: Nur wenn die Ursache der Staatsverschuldung in der Finanzmarktkrise erkannt, nur wenn die Abwärtsspirale aus Verschuldung und Rezession, Hoffnungslosigkeit und Protest durchbrochen, nur wenn Konsolidierung durch nachhaltiges Wachstum gestützt wird, kann Europa die Schuldenkrise überwinden. Mit dieser Leitlinie ist die SPD in zum Teil dramatische Verhandlungen mit der Bundesregierung eingetreten.

Wir können heute nicht sagen, ob das erreichte Ergebnis schon ausreicht, um den Zusammenhalt Europas zu bewahren. Jedoch ist in diesen Monaten etwas Entscheidendes passiert: Es ging schon lange nicht mehr nur um eine Zustimmung zum Fiskalpakt. Es ging vor allem darum, der europäischen Krise mit einer anderen Politik zu begegnen. Ein Anfang ist jetzt gemacht. Mit der Verständigung zwischen SPD, Grünen und Bundesregierung über einen europäischen „Pakt für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung“ gesteht die schwarz-gelbe Koalition zugleich das Scheitern ihres bisherigen Krisenmanagements ein.

Blockiert haben Union und FDP lange Zeit die gerechte Besteuerung der Finanzmärkte. In den Verhandlungen hat die SPD-Bundestagsfraktion den Durchbruch zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer erreicht. Das ist ein großer Erfolg der deutschen Sozialdemokratie. Wir erreichen damit, dass die Verursacher der Krise substanziell an den Kosten ihrer Überwindung beteiligt werden. Die Bundesregierung hat in einem Kabinettsbeschluss klargestellt, dass sie das umfassende Modell einer Besteuerung insbesondere von Aktien, Anleihen, Investmentanteilen, Divisentransaktionen sowie Derivatekontrakten zugrunde legt. Sie stellte zudem klar, dass sie die Steuer nun durch die Verstärkte Zusammenarbeit von neun gleichgesinnten EU-Mitgliedstaaten auf den Weg bringt. Die Bundesregierung hat außerdem einem verbindlichen Zeitplan zugestimmt. Auf dem letzten Treffen der Finanzminister der Eurozone wurde der erste Schritt schon unternommen und festgestellt, dass die Zustimmung aller 27 Mitgliedstaaten für den Richtlinienentwurf der Kommission nicht zu erreichen ist. Zehn Partner für die Verstärkte Zusammenarbeit haben sich jetzt zum Handeln bereit erklärt. Unverzüglich soll es jetzt zu einem Antrag auf Verstärkte Zusammenarbeit kommen, mit dem Ziel, das Gesetzgebungsverfahren bis Ende 2012 abzuschließen.

Die SPD-Bundestagsfraktion hat außerdem erreicht, dass die Bundesregierung sich zu erheblichen Impulsen für höhere Investitionen in Wachstum und Beschäftigung bekennt. Dazu gehört, dass nicht abgerufene Mittel aus den Strukturfonds der laufenden Finanzperiode rasch und gezielt für wachstums- und beschäftigungsfördernde Maßnahmen eingesetzt werden. Außerdem darf es bei den Verhandlungen über den neuen mittelfristigen Finanzrahmen 2014-2020 zu keinen Kürzungen bei den Investitionen in den Struktur- und Kohäsions- und im Sozialfonds kommen. Weiter wird die Bundesregierung eine Kapitalaufstockung der Europäischen Investitionsbank um 10 Mrd. Euro anstreben, was zu Investitionen von bis zu 180 Mrd. Euro führt. Auch das Programm für europäische Projektanleihen soll bei Bedarf bis Ende 2013 auf bis zu 1 Mrd. Euro aufgestockt werden, womit Investitionen von 18 Mrd. Euro zu erreichen sind. Schließlich wird das Recht der Jugendlichen auf Ausbildung und Arbeit gestärkt, wozu ein Ausbildungsplatz oder ein Arbeitsangebot spätestens 4 Monate nach Verlassen der Schule oder nach Eintritt in Arbeitslosigkeit gehört.

SPD und Grüne haben außerdem durchgesetzt, dass Bundestag und Bundesrat sowohl beim ESM als auch beim Fiskalpakt umfassend beteiligt werden. Beim ESM bedeutet das, dass der Bundestag – wie schon beim EFSF – den wesentlichen Entscheidungen vorab zustimmen muss, bevor die Bundesregierung oder ein deutscher Vertreter in Brüssel und Frankfurt grünes Licht geben können. Für den Fiskalpakt werden wir im Fiskalpaktratifizierungsgesetz sicherstellen, dass der Bundestag frühzeitig, fortlaufend und vor allem schriftlich informiert wird. Gegen erheblichen Widerstand der Koalition wird das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBBG) schon in dieser Woche dahingehend geändert, dass die Bundesregierung den Bundestag auch über Eurogipfel und Initiativen der Eurogruppe schriftlich unterrichten muss. Das gilt sowohl für die Anwendung des Fiskalpaktes als auch für alle anderen Angelegenheiten, die dort besprochen werden. Damit ist ein erster Schritt zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Juni getan. Eine umfassende Reform der Beteiligungsrechte des Bundestages wird bis Ende des Jahres erfolgen.

Das gemeinsame Papier der Bundesregierung und der Bundestagsfraktionen über einen Pakt für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung finden Sie unter: http://www.spd.de/linkableblob/73516/data/20120621_pakt_wachstum_beschaeftigung.pdf

Verhandlungsergebnis Bundesregierung – Bundesländer:

Zur Voraussetzung für einen Beschluss des ESM im Bundestag hatte die SPD die Einigung zwischen Bund und Ländern über die innerstaatliche Umsetzung des Fiskalvertrages gemacht. Diese Einigung wurde am vergangenen Sonntag mit einem eindeutigen Verhandlungserfolg der SPD-geführten Länder erreicht:

Die verfassungsrechtlich geschützte Haushaltsautonomie der Länder wird nicht beeinträchtigt. Die Länder tragen keine Verpflichtungen, die über die bisher geltende Schuldenregel des Grundgesetzes hinausgehen. Der Bund haftet für den Fiskalvertrag im Außenverhältnis, wozu bis 2019 etwaige Sanktionszahlungen bei Verstößen gehören. Bund und Länder legen 2013 erstmals gemeinsame Anleihen, so genannte „Deutschlandbonds“, auf, die den Ländern niedrigere Zinsen ermöglichen und die auch im Zuge eines sich durch Verschuldungsgrenzen verkleinernden Anleihemarktes ökonomisch sinnvoll sind. Schließlich erhalten die Länder zusätzliche Investitionsmittel für den Kitaausbau in Höhe von 580,5 Mio. Euro und eine Erhöhung der Betriebsmittel um 75 Mio. Euro. Eine Neuordnung der Eingliederungshilfe soll in der nächsten Legislaturperiode erfolgen, mit dem Ziel, die Kommunen hier deutlich zu entlasten.

Beschluss des SPD-Parteikonvents:

Der SPD-Parteikonvent hat am 16. Juni 2012 in einem Beschluss zum Fiskalpakt unsere Forderungen für mehr Wachstum und Beschäftigung in Europa formuliert. Dieser sieht ein grundsätzliches Ja zum Fiskalpakt unter folgenden Bedingungen vor: Einführung einer Finanztransaktionssteuer, eines Programms gegen Jugendarbeitslosigkeit in Europa sowie eines Wachstums- und Investitionsprogramms. Zudem fordern wir ein Instrument zum Abbau von Altschulden in Form eines Schuldentilgungsfonds. Hinsichtlich der Beteiligung von Ländern und Kommunen soll der Bund zudem alle Kosten übernehmen, die über die bereits vereinbarte Schuldenbremse hinausgehen.

Ein weiterer Diskussionspunkt war die Beteiligung der Länder und Kommunen, die zusätzliche Belastungen durch den Fiskalpakt befürchten. Die SPD forderte, dass der Bund die Kosten übernehmen solle, die über die bereits vereinbarte Schuldenbremse hinausgingen.

Den Beschluss des SPD-Parteikonvents vom 16. Juni 2012 finden Sie unter: http://www.spd.de/linkableblob/73340/data/beschluss_europa_konvent2012.pdf