Auf die Inhalte kommt es an!
Wenn an diesem Freitag die Sondierungsgespräche zwischen CDU/CSU und SPD in Berlin beginnen, ist eigentlich nur eines klar: Der Ausgang ist völlig offen. Die SPD wird jedenfalls in Verhandlungen erst dann einsteigen, wenn es bei den Konservativen eine deutliche Bewegung in Richtung Politikwechsel gibt. Für eine Verlängerung des bisherigen Regierungsgewürges von Schwarz-Gelb steht die SPD nicht zur Verfügung.
In der SPD wird eine Regierungsbeteiligung durch eine Große Koalition sehr kritisch gesehen. Dabei spielt auch die Erfahrung in den Jahren 2005 bis 2009 eine Rolle. In dieser Zeit hat die SPD in der Bundesregierung viele wichtige und notwendige Projekte angestoßen, die Deutschland besser durch die Krise geführt haben als andere Länder. Beispielhaft seien hier nur genannt das Kurzarbeitergeld, das Konjunkturprogramm II, mit dem auch im Kreis Unna zahlreiche Schulen und öffentliche Einrichtungen energetisch saniert werden konnten, oder der gesetzliche Anspruch auf eine Betreuung für unter Dreijährige. Die Wähler haben am Ende jedoch die Kompromisse, die wir auf Wunsch der Union bei der Rente mit 67 und bei der Mehrwertsteuererhöhung schließen mussten, höher bewertet und der SPD teils bis heute das Vertrauen entzogen. Die SPD kann aus diesem Grund nur in eine Koalition eintreten, in der die Inhalte gleichberechtigt in einen Koalitionsvertrag einfließen.
Der Hauptgrund für die Skepsis gegen die Große Koalition ist allerdings der gravierende Unterschied in zentralen Zukunftsfragen für Deutschland. Bei vielen Themen, beispielhaft genannt seien die Gestaltung der Energiewende, die Beseitigung des Fachkräftemangels oder die ungeklärte Finanzierung wichtiger Zukunftsinvestitionen in Bildung, Infrastruktur und Kommunen, verweigert die CDU schlicht und einfach die Antwort. Die vollständige politische Beliebigkeit, in der die Merkel-CDU angekommen ist, erschwert nicht nur Koalitionsverhandlungen, sondern ist Gift für die Lösung wichtiger Zukunftsfragen, damit wir auch in 20 oder 30 Jahren noch in Wohlstand und mit mehr Gerechtigkeit leben können!
Für die SPD zählt daher allein, was in einer Koalition für die Menschen herauskommen kann. Mal ehrlich: Ich hätte lieber einen SPD-Kanzler, das ist ja wohl klar. Aber im Kern ist es nicht so wichtig, wer Kanzler ist und wer wie viele Minister stellt. Wichtig ist, dass die Menschen sich darauf verlassen können, dass die Regierung die wichtigen Probleme anpackt und einer Lösung zuführt, dass sie für Zukunftschancen und Gerechtigkeit sorgt. Hier habe ich große Zweifel, ob die CDU dazu wirklich in der Lage ist und kann mir deshalb derzeit nicht vorstellen, wie es zu einer Großen Koalition kommen soll.
Wir haben als SPD im Kern zwei Dinge beschlossen:
- Die SPD prüft allein anhand der Inhalte, ob wir nach den Sondierungsgesprächen weitere Verhandlungen führen. Wir werden nur weiter verhandeln, wenn die CDU bereit ist, eine Politik zu ermöglichen „für gute Arbeit und die gerechte Weiterentwicklung der sozialen Sicherungssysteme, gute Bildung und starke Forschung, eine gerechte und auskömmliche Steuer-, Finanz- und Haushaltspolitik, eine Stärkung der Kommunen, eine verantwortliche Gestaltung der Energiewende und Entwicklung und Sicherung der Infrastruktur in Deutschland, verantwortungsvolle Europapolitik sowie moderne Familien-, Gleichstellungs-, Integrations- und Gesellschaftspolitik“. Die SPD im Kreis Unna hat einen Beschluss gefasst, der darüber noch hinaus geht und ganz konkrete Inhalte für einen Koalitionsvertrag benennt.
- Am Ende entscheiden die Mitglieder der SPD, ob es eine Koalition im Bund mit der SPD geben wird oder nicht. Direkt nach den Sondierungsgesprächen wird der Parteikonvent der SPD wieder zusammentreten und beraten, wie es weiter geht. Überall finden derzeit Sitzungen der SPD statt, in denen die Mitglieder sich einbringen können, vom Ortsverein in der Stadt über den Unterbezirk bis hin zum Land. Das wird über den gesamten Verhandlungsprozess sicher gestellt. 2010 haben wir damit bei der Regierungsbildung in Nordrhein-Westfalen schon sehr gute Erfahrungen gemacht. Am Ende werden die Mitglieder entscheiden, wenn ein Verhandlungsergebnis vorliegt. Während in anderen Parteien nur abgenickt wird, entscheiden in der SPD die Mitglieder! So muss innerparteiliche Demokratie aussehen.
Fazit: Welche Regierung am Ende in welcher Farbenkombination gebildet wird, kann ich noch nicht erkennen. Ich bin skeptisch, ob es zu einer Großen Koalition kommt. Meine Partei strebt sie auch nicht an. Es ist alles völlig offen und die Inhalte zählen. Am Ende entscheiden die Mitglieder der SPD – und das ist auch gut so!