Hilfen für den Irak – Zur Sondersitzung des Bundestages vom 1.9.2014
Am vergangenen Montag kam der Deutsche Bundestag in Berlin zu einer Sondersitzung zusammen, um über den Konflikt im Nord-Irak und die damit zusammenhängende humanitäre Hilfe für die Menschen in der Region sowie Waffenlieferungen an die kurdische Regionalregierung zu debattieren. Der 1. September ist der Antikriegstag. Und doch erinnert er in diesen Tagen besonders daran, dass die Welt derzeit aus den Fugen geraten scheint. Schwere militärische Konflikte beherrschen die Nachrichtenlage. Süd-Sudan, Zentralafrikanische Republik, Irak, Gaza sind nur einige Schauplätze. Mitten in Europa gibt es die militärische Auseinandersetzung in der Ukraine. Gerade dieser Konflikt zeigt, dass Krieg keine Lösung ist, dass Konflikte politisch gelöst werden müssen und dass die Menschen in den betroffenen Regionen im Mittelpunkt der Hilfen stehen müssen.
Als Politiker müssen wir in konkreten Situationen entscheiden. Ich kann leider nicht mehr darüber entscheiden, was im Irak früher schief gelaufen ist und den Konflikt verursacht hat. Eine Hauptschuld trägt sicher die militärische Intervention im Irak durch die USA, an der sich Deutschland richtigerweise, wie man jetzt sieht, nicht beteiligt hat. Ich muss aber die jetzige Situation annehmen. Im Nor-den des Irak stellt sich die Situation so dar, dass die Terroristen des IS („Islami-scher Staat“) Teile des Landes besetzt halten und unter ihre Willkürherrschaft und Gewalt gestellt haben. Ihre Gewalt richtet sich u.a. gegen religiöse Minderheiten und zeigt sich in barbarischen Morden. In dieser Region sind Menschen eingekesselt und laufen Gefahr, von der IS überrannt, eingenommen und ermordet zu werden. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung schnell entschieden, humanitär zu helfen. Mehr als 50 Millionen Euro wurden dafür bis heute zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus hat die neue Regierung des Irak und die kurdische Regionalregierung im Norden des Landes darum gebeten, die regionale Armee mit weiteren Waffen auszustatten, die es ihnen ermöglicht, den Widerstand gegen die IS-Kämpfer aufrechtzuerhalten und damit die eingekesselten Menschen zu schützen. Nach den sehr eindrücklichen Schilderungen des Bundesaußenministers Frank Walter Steinmeier und des Menschrechtsbeauftragten der Bundesregierung Christoph Strässer ist die Lage in den betroffenen Regionen äußerst angespannt. Die Bundesregierung hat daher entscheiden, die-se Waffen zu liefern. Der Bundestag war nun aufgefordert, zu dieser Entscheidung Stellung zu nehmen.
Das Dilemma, das mit dieser Entscheidung verbunden war, ist nicht aufzulösen. Waffen in ein Kriegsgebiet zu exportieren, hat ein Risiko: es kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese Waffen erbeutet oder verkauft werden und damit in die Hände von Aggressoren fallen. Diese Gefahr kann ehrlicherweise nicht ausgeschlossen werden. Sie darf deshalb nur eine absolute Ausnahme bleiben.
Auf der anderen Seite stehen die Menschen im Nord-Irak, deren Überleben nach Lage der Dinge nur gesichert werden kann, wenn sich die kurdische Regionalarmee den mörderischen IS-Truppen weiter in den Weg stellt. Die internationale Gemeinschaft muss daher entscheiden, welches Risiko sie höher einschätzt und mit den verbliebenen Gefahren dann leben. Eine Entscheidung also, bei der man nicht absolut richtig liegen kann. Deshalb habe ich keinen Abgeordneten getroffen, der sie sich leicht gemacht hat. Der Bundestag hat sehr respektvoll die unterschiedlichen Standpunkte klar gemacht und sich letztlich mit der Mehrheit der Großen Koalition entschieden, die Linie der Bundesregierung zu unter-stützen. Ich habe dem trotz Bedenken meine Unterstützung gegeben.
Wollen wir in der internationalen Gemeinschaft nicht dauerhaft in solche Dilemma-Situationen gezwungen werden, müssen wir weiter an einer akzeptierten Friedensordnung arbeiten. Deutschlands Verantwortung in der Welt ist gewachsen und Deutschland nimmt diese Verantwortung wahr – vor allem im Bereich der humanitären Hilfen! Es braucht aber auch akzeptierte Konfliktmechanismen, wenn Gewalt bereits ausgebrochen ist. Darüber habe ich bereits im März ei-ne Diskussionsveranstaltung in Unna durchgeführt. Wir haben eine Verantwortung, die Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten zu schützen. Ich wünsche mir, dass wir die Diskussion darüber wieder stärker in der gesamten Gesell-schaft führen. Denn der Ukraine-Konflikt hat uns schmerzhaft vor Augen geführt, dass auch der Frieden in Europa nicht von alleine kommt, sondern immer wieder erarbeitet werden muss.
Über Ihre Zuschriften zu diesem Thema freue ich mich.
Mit freundlichen Grüßen
Oliver Kaczmarek
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