Europa braucht Stabilität, Griechenland braucht unsere Hilfe
Am Montag dieser Sitzungswoche hat der Deutsche Bundestag das zweite Hilfspaket für Griechenland beschlossen. Angela Merkel verfehlte jedoch die sogenannte Kanzlermehrheit. Bei den vorherigen europapolitischen Abstimmungen konnte sie diese noch immer mobilisieren. Dies ist ein Zeichen dafür, dass die Unterstützung für ihren Kurs in den eigenen Reihen schrumpft. Ein Beispiel sind die Äußerungen von Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), der am Wochenende einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone ins Spiel gebracht hatte. Die symbolisch wichtige Kanzlermehrheit von Union und FDP beträgt 311 Stimmen, also die Mehrheit aller 620 Bundestagsabgeordneten. Bei Abstimmungen ist sie ein Hinweis auf die Unterstützung der Koalition für die Bundeskanzlerin. Union und FDP haben gemeinsam 330 Sitze im Bundestag. Bei der namentlichen Abstimmung kamen CDU, CSU und FDP gemeinsam jedoch nur auf auf 304 Ja-Stimmen.
Wir müssen Stabilität in Europa zurückgewinnen. Das ist mit dem Griechenlandpaket bei Weitem noch nicht geschafft. Aber wenn wir das Risiko einer Ausweitung der Krise jetzt eindämmen und die Chance wahren wollen, den Euro zu erhalten, ist das Paket nötig.
Dem Hilfspaket für Griechenland die Zustimmung zu geben, ist insbesondere aus drei Gründen plausibel:
• Erstens kann niemand, der mit Verantwortung Politik macht, den Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung in der Hellenischen Republik in Kauf nehmen. Denn das wäre die wahrscheinliche Folge eines vollständigen Bankrotts des Landes Mitte März.
• Zweitens ist es im europäischen Interesse, die drohende Ansteckung von Portugal, Spanien und Italien zu verhindern. Ob Finanz- oder Realwirtschaft, eine Botschaft hören wir immer wieder: Wird Italien als drittgrößte europäische Volkswirtschaft in den Strudel gezogen, ist der Euro am Ende.
• Drittens handeln wir im deutschen Interesse. Denn wenn die Krise sich ausbreitet, wären die Abschreibungen deutscher Institute, die Verluste deutscher Unternehmen, der Einbruch an Wachstum für Deutschland verheerend. Es kann unserem Land, das 60 % seiner Wirtschaftsleistung im Außenhandel mit der EU erzielt (2010 verkauften deutsche Unternehmen noch Waren im Wert von 6 Mrd. € nach Griechenland), auf Dauer nicht gut gehen, wenn es Europa schlecht geht. Aus diesen drei Gründen trägt die SPD die Kredithilfen – und das sind akute Nothilfen – für Griechenland mit.
Allerdings sagt die SPD-Bundestagsfraktion weiterhin sehr klar, dass ihre schon am ersten Griechenlandpaket geübte Kritik nur allzu berechtigt war. Ein Reformprozess kann nicht nur auf Haushaltskürzungen beruhen. Die Wirtschaft in Griechenland ist zusammengebrochen So etwas schürt Unmut und kann zu politischer Instabilität führen. Zudem brechen die Steuereinnahmen weg, was die Haushaltslage in den Ländern weiter verschärft. Der von der Bundesregierung verfolgte Ansatz, mit immer neuen Sparbemühungen aus der Krise zu kommen, kann nicht funktionieren, weil Griechenland so nicht in die Lage kommt, aus eigener Kraft für Wachstum zu sorgen und die Kredite an die Staatengemeinschaft zurückzahlen zu können.
Neben den klar notwendigen Anpassungsmaßnahmen und Reformen in den Krisenländern Europas muss diesen Staaten und den Menschen dort eine Wachstumsperspektive eröffnet werden. Die SPD-Fraktion hat schon früh einen Strategiewechsel eingefordert. Unsere Forderung nach einem Programm für den industriellen Wiederaufbau in Europa, auch in Griechenland und anderen südeuropäischen Staaten, ist kein Ersatz für eine Spar- und Reformpolitik. Ein solcher Aufbauplan ist eine zwingend notwendige Ergänzung und Voraussetzung, um den Erfolg von Spar- und Reformbemühungen überhaupt erst möglich zu machen. Und er ist der politische Rettungsanker, der den Menschen in Griechenland die Kraft gibt, radikalen Nationalisten und Aufpeitschern zu widerstehen. Die Bundesregierung muss aus eigenem Interesse, gemeinsam mit den europäischen Regierungen die strukturellen und finanziellen Voraussetzungen für solch ein ergänzendes umfassendes Wachstumsprogramm schaffen. Hier muss der kommende Gipfel im März viel mehr liefern. Insbesondere brauchen wir endlich einen konkreten Zeitplan für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer zumindest in der Eurozone, damit das Wachstumsprogramm ohne neue Schulden nachhaltig finanziert werden kann.