Infodienst – Seite 143 von 147 – Oliver Kaczmarek, Md

Langfristige Perspektive statt sachgrundlose Befristung

Inzwischen arbeitet jede/r zehnte Arbeitnehmer/in ohne feste Stelle. Fast jeder zweite neu abgeschlossene Arbeitsvertrag ist befristet. Angesichts dieser Entwicklung fordert die SPD-Bundestagfraktion in einem Antrag, die sachgrundlose Befristung abzuschaffen. Sie wurde von der schwarz-gelben Regierung unter Helmut Kohl eingeführt und hat nicht zu mehr Beschäftigungsverhältnissen geführt, sondern zu mehr Unsicherheit bei vielen Beschäftigten. Dies betrifft insbesondere diejenigen, die am Anfang ihres Berufslebens stehen. Der Kündigungsschutz wird auf diese Weise immer mehr ausgehebelt. Junge Menschen, die eine Familie gründen wollen oder für das Alter vorsorgen, brauchen langfristige berufliche Sicherheit. Der Zusammenhang zwischen befristeter Beschäftigung und schlechten Arbeitsbedingungen liegt auf der Hand: Zum einen führt häufige Arbeitsplatzsuche zu Zugeständnissen beim Einkommen und bei den Arbeitsbedingungen. Zum anderen scheuen sich Beschäftigte, die auf eine Entfristung ihrer Stelle hoffen, auch während ihrer befristeten Beschäftigung, ihre Arbeitnehmerrechte wahrzunehmen; sie verzichten häufig auf tarifliche Ansprüche und gehen krank zur Arbeit. Unter der schwarz-gelben Regierung Merkel sollen die befristeten Arbeitsverhältnisse sogar noch ausgedehnt werden.

Die SPD-Bundestagsfraktion fordert deshalb die Bundesregierung auf, unverzüglich einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Möglichkeit zur kalendermäßigen Befristung eines Arbeitsvertrages bis zur Dauer von zwei Jahren ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes zu streichen. Gestrichen werden sollen auch die Befristungsmöglichkeiten ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von vier Jahren in den ersten vier Jahren nach der Gründung eines Unternehmens sowie ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von fünf Jahren für Arbeitnehmer ab Vollendung des 52. Lebensjahres.

Der Antrag der SPD-Bundestagsfraktion kann hier abgerufen werden:
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/017/1701769.pdf

Anerkennungsgesetz für ausländische Abschlüsse vorlegen

Gerade angesichts des Fachkräftemangels ist die Integration von gut ausgebildeten, qualifizierte Einwanderern eine der wichtigsten Aufgaben zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes. Doch gerade die Anerkennung im Ausland erworbener Abschlüsse gestaltet sich in Deutschland äußerst schwierig. Die Vielfalt voneinander abweichender Regelungen des Bundes, der Länder und der Europäischen Union, die zersplitterten Zuständigkeiten und die uneinheitliche Verwaltungspraxis der Länder führen zu unübersichtlichen und langwierigen Anerkennungsverfahren. Außerdem gibt es keinen generellen Rechtsanspruch auf Durchführung eines Anerkennungsverfahrens.

Die SPD-Bundestagsfraktion fordert die Bundesregierung auf, schnellstmöglich einen allgemeinen Rechtsanspruch auf die Durchführung eines Anerkennungsverfahrens für alle ausländischen Aus- und Fortbildungsberufe sowie akademischen Abschlüsse zu schaffen. Dazu brauchen wir bundesweit einheitliche Verfahrensstandards und Entscheidungskriterien, aber auch ein dezentrales System ausreichender Beratungsstellen für Anerkennungsinteressierte. So kann eine Frist von maximal sechs Monaten bis zur Entscheidung vorgesehen werden. Die SPD-Fraktion fordert Nachqualifizierungen, für die ausreichende finanzielle Mittel bereitgestellt werden müssen, auch für die bedarfsabhängige Unterstützung zum Lebensunterhalt in dieser Zeit. Schließlich fordern wir die Einführung einer statistischen Erfassung und Auswertung zu den Anerkennungsverfahren, um den Erfolg dieser Maßnahmen bewerten zu können.

Den Antrag der SPD-Bundestagsfraktion kann hier abgerufen werden:
http://dip.bundestag.de/btd/17/001/1700108.pdf

Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente und Papst-Rede – Zur Sitzungswoche vom 19.-23.09.2011

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Klaus Wowereit bleibt regierender Bürgermeister in Berlin. Bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus erhielt die Berliner SPD 28,3 Prozent der Stimmten und ist damit stärkste Kraft in der Hauptstadt. Im Vergleich zur letzten Wahl verliert sie 2,5 Prozent. Eine Fortführung der Koalition mit der Partei die Linke ist allerdings nicht möglich. Die FDP ist mit 1,8 Prozent nur noch eine Splitterpartei in Berlin. Dieses Ergebnis macht deutlich, dass der populistische Anti-Europa Wahlkampf des FDP-Parteivorsitzenden Philipp Rösler von den Wählerinnen und Wählern abgestraft wurde. Überraschend war das sehr gute Ergebnis der Piratenpartei, die im ersten Anlauf über 8,9 Prozent der Stimmen in Berlin gewonnen hat. Unabhängig davon was man inhaltlich von dieser Partei hält, dürfen wir als SPD nicht ignorieren, dass für viele Wählerinnen und Wähler vor allem der Wunsch nach Transparenz und einem anderen Politikstil im Vordergrund stand. Diese Kritik muss auch die SPD ernst nehmen.

Mit viel Interesse und öffentlicher Aufmerksamkeit wurde in dieser Woche die Rede des Papstes im Deutschen Bundestag verfolgt. Bereits im Vorfeld haben viele Abgeordnete, auch meiner Fraktion angekündigt, dass sie sich die Rede im Deutschen Bundestag nicht anhören werden. Diese Ankündigung hat eine heftige Diskussion über die Trennung von Staat und Kirche und das Menschenbild der katholischen Kirche entfacht. Rund um den Bundestag ist diese Debatte natürlich etwas aufgeregter geführt worden als zu Hause. Ich selbst habe eine pragmatische Haltung dazu: Der Bundestag hat den Papst eingeladen und unabhängig von Kritik an bestimmten Aussagen seiner Lehre hörte ich mir natürlich seine Rede ab. Dies wird meines Erachtens auch der Bedeutung seines Amtes gerecht. Gleichwohl respektiere ich es auch, dass einige Abgeordnete aus grundsätzlichen Erwägungen der Trennung von Staat und Kirche nicht zuhören wollten. Boykottaufrufe allerdings fand ich völlig unangemessen. Die Entscheidung an der Rede teilzunehmen, muss schon jeder Abgeordnete selbst wohl abwägen.

Die Themen dieser Sitzungswoche in Berlin habe ich in diesem Infodienst zusammengefasst.

Mit freundlichen Grüßen

Oliver Kaczmarek
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Die Themen:

  1. Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente
  2. Notfallplan für die Hochschulzulassung zum Wintersemester 2011/12 und  Hochschulpakt Plus
  3. 40 Jahre BaföG
  4. Frühkindliche Bildung und Betreuung verbessern – Für Chancengleichheit und    Inklusion von Anfang an
  5. Wahlen zum geschäftsführenden Fraktionsvorstand

 

Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente

Nach sozialdemokratischer Auffassung ist Arbeit für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben grundlegend. Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, in dem die finanziellen Mittel für die Bundesagentur für Arbeit für die kommenden Jahre stark zurückgefahren werden. Dieses Gesetz wurde am Freitag in 2. und 3. Lesung von CDU/CSU und FDP verbschiedet. Bereits 2011 werden zwei Milliarden weniger für diese Zwecke zur Verfügung stehen. Die Einschnitte werden in den Folgejahren jeweils um weitere zwei Milliarden vergrößert. Somit stehen ab 2014 jährlich acht Milliarden weniger für die aktive Arbeitsmarktpolitik zur Verfügung. Außerdem wurden viele Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik gestrichen.

Im Hinblick auf die drastischen finanziellen Kürzungen ist vor allem die Umwandlung zahlreicher Pflicht- in Ermessensleistungen kritisch zu betrachten. Das bedeutet, dass Arbeitslose nicht mehr das Recht auf bestimmte Maßnahmen haben, sondern die Kassenlage entscheidet, ob sie gefördert werden oder nicht. Durch fehlende Finanzmittel ist der Ermessensspielraum für die Arbeitsvermittler sehr stark eingeschränkt. Diese Maßnahme betrifft unter anderem den zu Zeiten der Großen Koalition 2008 eingeführten Gründungszuschuss für Arbeitslose sowie die gesetzlich festgeschriebene Rechte von Schulabbrechern, einen Schulabschluss nachzuholen.

Insbesondere dem Problem der hohen Langzeitarbeitslosigkeit – mehr als eine Million Menschen befinden sich seit mehr als zwei Jahren im Leistungsbezug – kann nicht mehr effektiv entgegengewirkt werden. Die Chance auf Zugang zu Arbeit wird für viele Menschen deutlich geschwächt. Damit saniert Schwarz-Gelb den Haushalt auf Kosten der Arbeitssuchenden. Die Chance auf Zugang zu Arbeit wird besonders für Langzeitarbeitslose, alleinerziehende Frauen, Menschen mit Behinderungen und Migranten erschwert. Die Auswirkungen spüren wir auch im Kreis Unna. Sozialkaufhäuser, Tafeln, Produktionsschulen und Radstationen werden ernsthaft gefährdet und damit die Arbeit von Menschen, die oft keine Alternative haben.

In einem eigenen Antrag forderte die SPD-Bundestagfraktion die Bundesregierung auf, erfolgreiche Arbeitsmarktinstrumente wie Gründungszuschuss und Ausbildungsbonus als gesetzlich gesicherte Pflichtleistungen zu erhalten. Der besondere Förderbedarf von Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund, Älteren, Jugendlichen, Menschen mit Behinderungen und solchen, die gesundheitlich angeschlagen sind, muss berücksichtigt werden. Um Perspektiven für Langzeitarbeitslose ohne Chance auf Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt zu eröffnen, muss die öffentlich geförderte Beschäftigung gestärkt werden. Für eine zielgerichtete Arbeitsmarktpolitik brauchen wir einen guten Förderrahmen und die nötige Finanzierung. Ziel ist der zunehmenden Spaltung auf dem Arbeitsmarkt entgegenwirken zu können und jedem Menschen die Chance auf Teilhabe durch Arbeit zu gewähren.

Den Antrag der SPD-Bundestagsfraktion finden Sie unter:
http://dip.bundestag.de/btd/17/064/1706454.pdf

Notfallplan für die Hochschulzulassung zum Wintersemester 2011/12 und Hochschulpakt Plus

Die Einführung eines modernen Hochschulzulassungsverfahrens (das so genannte „dialogorientierte Serviceverfahren“ DoSV) musste dieses Jahr zum zweiten Mal verschoben werden. Angesichts der deutlich erhöhten Studiennachfrage erschwert dies eine gerechte und vor allem effiziente Platzvergabe deutlich. Die bisherigen Erfahrungen mit der nachgelagerten „Studienplatzbörse“ zur zügigen Nachvermittlung frei gebliebener Studienplätze zeigen, dass die Börse nicht oder nur unzureichend den erhofften Effizienzgewinn leistet. Diese Praxis unverändert bis zur Einführung des DoSV fortzusetzen, wird dem Problem nicht gerecht. Die Bundesregierung ist außerdem ihrer Informationspflicht gegenüber dem Deutschen Bundestag bisher nur unzureichend nachgekommen. So liegt der Bericht zu den Ergebnissen der Studienplatzbörse für die Studienanfänger im Wintersemester 2010/11 weiterhin nicht vor, obgleich Zahlen bereits in der Presse zitiert werden.

Die Situation in der Hochschulzulassung ist somit insgesamt inakzeptabel und belegt einen leichtfertigen Umgang mit den hoffnungsvollen Zukunftsperspektiven der jungen Menschen. Angesichts der erwarteten zusätzlichen Studiennachfrage und des zunehmenden Fachkräftebedarfs ist die bisherige Entwicklung alarmierend. Die SPD-Bundestagfraktion fordert deshalb von der Bundesregierung zunächst den Bericht zu den Ergebnissen der Studienplatzbörse zum WS 2010/11 unverzüglich vorzulegen. Zudem brauchen wir eine Task Force, die jetzt einen Notfallplan erarbeitet, wie die Studienplatzvergabe bis zur Einführung des DoSV geregelt werden kann. In dieser Gruppe müssen die wichtigen Institutionen zusammenarbeiten: Hochschulen, die Stiftung für Hochschulzulassung sowie die an der technischen Umsetzung maßgeblich beteiligten Akteure. Dabei geht es vor allem darum, die Studienplatzbörse zu verbessern und bereits fertiggestellte DoSV-Software schnellstmöglich zu nutzen.

Neben diesem Notfallplan für die Hochschulzulassung brauchen wir zusätzlich einen Ausbau des Hochschulpaktes. Durch die demografische Entwicklung, die Aussetzung der Wehrpflicht sowie die steigende Studierneigung ist die Nachfrage nach Studienplätzen stark gestiegen. Der Hochschulpakt hat einen Teil der so entstandenen Knappheit abfangen können. Um den Herausforderungen der Zukunft gerecht werden zu können, muss dieser aber massiv erweitert werden. Daher fordert die SPD-Bundestagsfraktion die Bundesregierung dazu auf, mit den Ländern unverzüglich über einen „Hochschulpakt Plus“ zu verhandeln. Dieser muss das Angebot an Studienplätzen weiter ausbauen, besonders im Bereich des Masterstudiums. Die Studienplatzbedarfsberechnung muss zudem verbessert werden und öfter erhoben werden, um kurzfristigen Entwicklungen Rechnung zu tragen. Außerdem soll über ein Bonussystem bei den Hochschulen ein Anreiz zur Reduzierung der Abbrecherquote geschaffen werden.

Den Antrag der SPD-Bundestagsfraktion für einen Notfallplan zu Hochschulzulassung finden Sie unter: http://dip.bundestag.de/btd/17/058/1705899.pdf

Den Antrag zur Aufstockung des Hochschulpaktes finden Sie unter:
http://dip.bundestag.de/btd/17/040/1704018.pdf

40 Jahre BaföG

Die Erfolgsstory BAföG war und ist kein Selbstläufer. Ein Blick in die bewegte Geschichte des Bundesausbildungsförderungsgesetz (BaföG) erinnert an ständige Herausforderungen, die Menschen auch überall zu erreichen, die auf ihren verschiedenen Bildungswegen finanzielle Hilfe wirklich brauchen. Das größte Geschenk, das die Bildungspolitik dem BAföG zu seinem Jubiläum hat machen können, ist der heutige breite Konsens der Parteien für das BAföG. Das von der SPD geschaffene BAföG ist Teil unserer sozialen Kultur geworden.

Bildung entscheidet mehr denn je über die individuellen Lebens- und Berufsperspektiven und über die gesellschaftliche Teilhabe jedes Einzelnen. Die SPD-Bundestagfraktion hält an der emanzipativen Wirkung von Bildung fest. Die nach wie vor starke Abhängigkeit des Bildungserfolges von der sozialen Herkunft oder der ökonomischen Leistungsfähigkeit der Familie in Deutschland ist und bleibt deshalb ein Skandal und schürt soziale Ungerechtigkeit.

Das BAföG ist eines der wichtigsten Instrumente, um der sozialen Ungerechtigkeit in der Bildung entgegen zu wirken und Chancengleichheit zu für alle zu sichern. Denn Bildung ist auch Menschenrecht und Chancengleichheit ein Kernbaustein sozialer Gerechtigkeit, gerade in einer offenen und freien Gesellschaft. Darauf hat die SPD den Bürgerinnen und Bürgern mit dem BAföG einen Rechtsanspruch gegeben.

Der breite BAföG-Konsens erlaubt eine vorsichtig optimistische Aussicht auf die Zukunft, wenn die wachsende Bildungsbeteiligung oder die steigende Vielfalt der Bildungswege und -biografien sowie der individuellen Bedarfe und Bedürfnisse noch stärker einfließen werden. Wir brauchen eine zweite Ausdehnung der BAföG-Förderung hinein in mittlere Einkommensgruppen, die heute nicht vom BAföG profitieren können. Denn auch diese Familien geraten schnell an ihre Leistungsgrenzen, etwa wenn sich zwei Kinder gleichzeitig in Ausbildung befinden. Auch die stärkere Förderung berufsbegleitender Bildungsgänge ist ebenso auf der Agenda wie die Überprüfung der angestaubten Altersgrenzen im BAföG oder das überfällige Online-Antragsverfahren.
Was bleibt, ist den Erfolg des BAföG zu feiern und auf weitere 40 erfolgreiche Jahre anzustoßen. Den vielen engagierten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in den Studentenwerken und an den Hochschulen wollen wir herzlich für ihre unverzichtbare und engagierte Arbeit danken. Die Politik hat es ihnen nicht immer einfach gemacht, die Förderung schnell und unbürokratisch den Auszubildenden zukommen zu lassen.

Frühkindliche Bildung und Betreuung verbessern – Für Chancengleichheit und Inklusion von Anfang an

Das Recht auf angemessene Förderung, Bildung und Teilhabe wird explizit in dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes formuliert. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, allen Kinder Chancengleichheit von Anfang an zu ermöglichen. Bund, Länder und Gemeinden sowie Unternehmen, Organisationen, Wohlfahrtsverbände und Sozialpartner stehen dabei gemeinsam in der Verantwortung.

Leider zeigen die Ergebnisse mehrerer Studien, dass der Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft und dem Bildungserfolg in kaum einem anderen Land so stark ist wie in Deutschland. Ein Ausbau der frühkindlichen Bildung bietet die besten Chancen, dieser Entwicklung entgegenzuwirken, besonders für Kinder mit Migrationshintergrund. Eine frühe Förderung kann helfen, Benachteiligungen rechtzeitig auszugleichen und so unser Bildungssystem gerechter zu gestalten. Das von der Bundesregierung geplante „Betreuungsgeld“ setzt hier die falschen Signale. Das Betreuungsgeld soll einen Ausgleich für die Familien bieten, deren Kinder keine Kindertagesstätte besuchen.

Die Qualität und Quantität der frühkindlichen Bildungsangebote in Deutschland muss weiter ausgebaut werden. Der ab 2013 geltende Rechtsanspruch auf Förderung kann nur mit einem massiven Investitionsprogramm mit Hilfe des Bundes gesichert werden. Zudem brauchen wir mehr und besser ausgebildetes Personal in Tageseinrichtungen und in der Tagespflege. Hier muss besonders darauf geachtet werden, den Beruf für Männer sowie Menschen mit Migrationshintergrund attraktiver zu machen. Schließlich müssen wir darauf achten, dass alle Bildungsangebote verstärkt auch für Menschen mit Behinderung zugänglich gemacht werden. Die SPD-Bundestagsfraktion schlägt vor, die veranschlagten Mittel aus dem geplanten Betreuungsgeld sowie den vorhergesehenen Steuersenkungen zu nutzen sowie einen Aufschlag auf den Spitzensteuersatz einzuführen, der neben der frühkindlichen Erziehung auch anderen Bildungsbereichen zu Gute kommen soll. Wir brauchen zudem einheitliche Qualitätsstandards und müssen langfristig auf die Einführung eines Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung für ein- bis sechsjährige Kinder – zunächst für Alleinerziehende und in einem weiteren Schritt für alle Eltern – sowie die schrittweise Befreiung der Betreuungsangebote von Elternbeiträgen hinarbeiten.

Den Antrag der SPD-Bundestagsfraktion finden Sie unter:
http://dip.bundestag.de/btd/17/019/1701973.pdf

Wahlen zum geschäftsführenden Fraktionsvorstand

Die SPD-Bundestagsfraktion hat in ihrer Sitzung am Dienstag ihre Fraktionsspitze neu gewählt. Bei der turnusmäßigen Neuwahl zur Halbzeit der Legislaturperiode wurde Frank-Walter Steinmeier mit großer Mehrheit zum Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion wiedergewählt. In geheimer Wahl erhielt er von 127 abgegebenen gültigen Stimmen 119 Ja-Stimmen – das sind 93,7 Prozent. Sechs Abgeordnete stimmten mit Nein, zwei Abgeordnete enthielten sich. Dieses Ergebnis ist ein Vertrauensbeweis für Frank-Walter Steinmeier und ein Zeichen der Geschlossenheit der SPD-Fraktion.

Thomas Oppermann ist mit 64,3 Prozent zum Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer wiedergewählt worden.

Darüber hinaus wurden neun stellvertretende Fraktionsvorsitzende, drei Parlamentarische Geschäftsführer und die Justiziarin in den Geschäftsführenden Vorstand gewählt (123 abgegebene Stimmen).

Stellvertretende Fraktionsvorsitzende:
Gernot Erler, Außen und Sicherheit

Elke Ferner, Gesundheit und Soziales

Hubertus Heil, Wirtschaft und Arbeit

Ulrich Kelber, Umwelt

Christine Lambrecht, Innen und Recht

Joachim Poß, Haushalt und Finanzen

Florian Pronold, Verkehr

Axel Schäfer, Europa

Dagmar Ziegler, Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Als weitere Parlamentarische Geschäftsführer wurden gewählt:
Petra Ernstberger, Iris Gleicke und Christian Lange

Justiziarin bleibt Brigitte Zypries

Bundeshaushalt 2012

Das Parlament hat sich in dieser Woche vier Tage lang mit dem Haushaltsentwurf des Bundes für 2012 in erster Lesung befasst. Nach der Einbringung des Haushalts in den Bundestag durch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble standen die Einzelpläne der verschiedenen Ministerien zur Debatte. Das Haushaltsgesetz wurde nach den ersten Beratungen an den Haushaltsausschuss verwiesen. In den nächsten Wochen werden weitere Beratungen und Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und den anderen Fraktionen statt finden. Über den Haushaltsausschuss haben die unterschiedlichen Fraktionen die Möglichkeit ihre Forderungen einzubringen und zur Abstimmung zu stellen. Geplant ist, dass der Haushaltsausschuss seine Beratungen am 10. November abschließt. Die abschließende Debatte ist für den 22. bis 25. November im Deutschen Bundestag vorgesehen. Am Freitag, den 25. November, soll über das Haushaltsgesetz namentlich abgestimmt werden.

 

Die wichtigsten Zahlen im Überblick:

Nach den Vorstellungen der Regierung soll der Bund im kommenden Jahr 306 Milliarden Euro ausgeben können. Dies würde eine Steigerung der Ausgaben von 200 Millionen Euro gegenüber dem laufenden Jahr bedeuten.  An Steuereinnahmen werden im nächsten Jahr 247,35 Milliarden Euro erwartet. Die „sonstigen Einnahmen“ sollen 31,45 Milliarden Euro betragen. Der Fehlbetrag soll durch eine Neuverschuldung von 27,2 Milliarden Euro gedeckt werden.

Größter Einzelposten bei den Ausgaben im Haushaltsplan 2012 ist der Etat des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales mit 126,6 Milliarden Euro. Das sind allerdings 4,7 Milliarden Euro weniger als im laufenden Jahr. Die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende sind mit 33,07 Milliarden Euro im Etat verbucht. Das sind 1,1 Milliarden Euro weniger als 2011 (34,19 Milliarden). Wie schon im letzten Haushaltsplan, so sinken auch diesmal wieder die Leistungen für Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen für Arbeitslose. 4,40 Milliarden Euro und damit fast eine Milliarde Euro weniger als 2011 (5,3 MilliardenEuro) werden dafür eingeplant.

Auch beim Arbeitslosengeld II sinken die Ausgaben um 1,1 Milliarden Euro auf 19,5 Milliarden Euro. Dagegen steigt die Beteiligung des Bundes an den Kosten für Unterkunft und Heizung auf 5,1 Milliarden Euro (2011: 3,6 Milliarden Euro).

Zweitgrößter Posten ist die sogenannte „Bundesschuld“, also die Zinslast, die der Bund für seine Schulden aufbringen muss. Sie liegt bei 40 Milliarden Euro.

Das Bundesverteidigungsministerium soll 31,7 Milliarden ausgeben können. Damit wird der Verteidigungsetat leicht um rund 133 Millionen Euro erhöht.

Die Ausgaben des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung bleiben mit 25,3 Milliarden Euro fast unverändert.

Der Haushalt des Bundesministerium für Bildung und Forschung soll gegenüber dem laufenden Jahr um fast zehn Prozent auf 12,8 Milliarden Euro steigen.

Die Ausgaben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend steigen die im Jahr 2012 um 67 Millionen Euro auf rund 6,48 Milliarden Euro. Dies liegt insbesondere an der Erhöhung der Mittel für das Elterngeld auf 4,6 Milliarden Euro jährlich.

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung  soll nach dem Etatentwurf der Bundesregierung im kommenden Haushaltsjahr 113 Millionen Euro mehr erhalten als 2011. Insgesamt stehen dem Ministerium 6,33 Milliarden Euro zur Verfügung.

Mit einem Ausgabevolumen von 6,155 Milliarden Euro bleibt das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie auf dem Niveau des Vorjahres.

Für den Einzelplan des Bundesministeriums des Innern sind im Bundeshaushalt 2012 Ausgaben in Höhe von rund 5,5 Milliarden Euro vorgesehen. Mit rund 3,7 Milliarden Euro entfällt weiterhin der überwiegende Anteil auf den Bereich der inneren Sicherheit, der gegenüber der bisherigen Finanzplanung einen Aufwuchs um rund 184 Millionen Euro erfährt.

Der Regierungsentwurf 2012 sieht für den Etat des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausgaben in Höhe von insgesamt 5,28 Milliarden Euro vor.

Im kommenden Haushaltsjahr soll der Etat des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit 1,593 Milliarden Euro betragen und läge damit 101 Millionen Euro unter dem bisherigen Finanzplan.

Im Jahr 2012 soll die gesetzliche Krankenversicherung zur pauschalen Abgeltung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben einen Bundeszuschuss in Höhe von insgesamt 14 Milliarden Euro erhalten.

Die Leistungen des Bundes an die gesetzliche Rentenversicherung machen mit rund 81,8 Milliarden Euro wie in den vergangenen Jahren den mit Abstand größten Ausgabenblock im Bundeshaushalt aus. Vor 25 Jahren lag der Anteil an den Bundesausgaben noch bei 13,0 %, seitdem hat er sich annähernd verdoppelt.

Erste Einschätzung der SPD-Bundestagsfraktion

Schwarz-gelb verspielt die Zukunft Deutschlands zu Lasten künftiger Generationen. Laut Finanzplan der Bundesregierung werden allein die Ausgaben für Zinsen auf die Bundesschuld von 33 Milliarden Euro in 2010 auf knapp 40 Milliarden in 2012 und  50 Milliarden Euro in 2015 ansteigen. Etwa jeder fünfte Euro, der aus Steuern eingenommen wird, geht dann also als Zinsen an Banken und Investoren: Im Jahr 2015 werden das in jeder Minute knapp 95.000 Euro sein.

Die Bundesregierung versagt aber schon in 2011: Wir erleben dieses Jahr den stärksten Aufschwung seit 20 Jahren, mit steigenden Steuereinnahmen und sinkenden Arbeitslosenzahlen. Die Regierung Merkel nutzt ihn nicht zur schnellen Senkung der Neuverschuldung. Wer aber in Europa stets für eine rasche Reduzierung der Neuverschuldung wirbt, sie im eigenen Land aber verweigert, macht sich weit über Deutschlands Grenzen hinaus unglaubwürdig.

Durch die positive konjunkturelle Entwicklung entstehen 2012 zusätzliche Steuereinnahmen in Höhe von 14,6 Milliarden Euro und Minderausgaben beim Arbeitsmarkt von 4,7 Milliarden Euro, die letztes Jahr nicht eingeplant waren. Das ist eine Verbesserung im Haushalt von rund 19,3 Milliarden Euro. Statt damit aber, wie die Bundesregierung selbst noch am 16. März 2011 beschlossen hatte, die Neuverschuldung für 2012 von 40,1 Mrd. Euro auf knapp 20 Mrd. Euro zu senken, wollen Frau Merkel und Herr Schäuble im nächsten Jahr 27,2 Mrd. Euro neue Schulden machen. Im Klartext: Über 7 Mrd. Euro Steuergelder werden wieder einmal für die Klientels verfrühstückt, denn bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern kommen sie jedenfalls nicht an. Im Gegenteil, Einsparungen im Haushalt 2012 treffen in erster Linie wieder die sozial schwächeren der Gesellschaft. Die Bundesregierung hat einen Haushalt vorgelegt, in dem die finanziellen Mittel für die Bundesagentur für Arbeit und die JobCenter in den kommenden Jahren stark zurückgefahren werden sollen. Die Kürzungspläne summieren sich von 2012 bis 2015 auf 26,5 Milliarden Euro. Die Folgen wären auch für den Kreis Unna katastrophal. 19.000 Menschen, die Arbeitslosengeld I und Arbeitslogengeld II beziehen, wären betroffen.

Diese Haushaltspolitik können wir als SPD-Bundestagsfraktion nicht unterstützen. In den nächsten Wochen wird die Fraktion mit eigenen Vorschlägen und Haushaltskonzepten in die Beratungen gehen, um sich für einen sozial gerechten Haushalt einzusetzen, der nicht zu Lasten der künftigen Generationen geht.

Erste Lesung zum europäischen Stabilisierungsmechanismus

Die Stabilisierung des Euros und die Schuldenkrise in Europa waren neben den Haushaltsberatungen die zentralen Themen dieser Sitzungswoche.

Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf vorgelegt. Die Bundesrepublik soll Bürgschaften bis zu gut 211 Milliarden Euro im Rahmen des sogenannten Euro-Rettungsschirms zur Verfügung stellen.  Damit wird der bisherige Gewährleistungsrahmen Deutschlands um gut 88 Milliarden Euro aufgestockt. Das Gesetz wurde in erster Lesung im Bundestag debattiert und wird nun in den einzelnen Fachausschüssen weiter beraten. Eine Abstimmung soll Ende September durch geführt werden.

Die Fraktionen der SPD und der Grünen haben ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Unterstützung der Euro-Rettungspläne erklärt, aber weitere Aufklärung über Details verlangt. Im Mittelpunkt steht dabei für die SPD-Bundestagsfraktion die Frage der Einbindung des Finanzsektors zur Finanzierung der Hilfen.

Die SPD-Bundestagsfraktion hat ein eigenes Konzept zur Zukunft Europa und seiner gemeinsamen Währung vorgelegt. Die Kernpunkte und Forderungen:

  • Eine konsequente und gerechte Konsolidierungspolitik für die betroffenen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Wer sich hoch verschuldet, liefert sich den Kapitalmärkten aus und wird, wenn das Vertrauen verloren geht, durch hohe Zinslasten in immer neue Schulden hineingetrieben. Diese Spirale muss unterbrochen werden. Zur Konsolidierung gehört die Bekämpfung von Korruption, Klientelpolitik und Steuerhinterziehung. Einsparungen im Haushalt sind ebenso erforderlich wie die Durchsetzung der Besteuerung. Auch Steuererhöhungen für Wohlhabende gehören in den betroffenen Staaten dazu.
  • Ein intelligenter Schuldenschnitt. Kann ein Land seine Schulden nicht mehr bezahlen, weil die Einnahmen zu gering und die Schulden zu hoch sind, kann ein Schuldenschnitt durchgeführt werden. Dabei wird wie bei einem Konkurs eine Ausgleichsquote beziehungsweise Restwert festgelegt. Diesen Wert muss das Land zurückzahlen, der Rest der Schulden wird von den Gläubigern erlassen. Ausgabenkürzungen und Strukturreformen reichen nicht aus, um Griechenland aus der Schuldenfalle herauszuführen. Deshalb muss der Privatsektor auf einen Teil seiner Forderungen verzichten.
  • Eine Europäische Wachstumsinitiative, die den Menschen neue Hoffnung gibt und zu einer ausgeglichen Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der Währungsunion beiträgt. Für die Jugend ist Europa vom Symbol der Hoffnung zu einem Symbol der Angst und der Bedrohung geworden. Mehr als 5 Millionen junge Menschen in Europa sind arbeitsloslos. In Spanien sind es mehr als 45%, in Griechenland 50%. Die Finanzierung einer solchen Wachstumsinitiative sollte über eine europaweite Finanztransaktionssteuer erfolgen.
  • Intelligent und verantwortlich konstruierte „Euro-Bonds“ können ein weiterer Stabilisierungsanker für die Euro-Zone in schwieriger Lage sein. Deswegen darf diese Möglichkeit nicht tabuisiert, sondern sollte geprüft werden. Eurobonds stehen für gemeinsame EU-Anleihen. Dies bedeutet, dass die EU-Staaten gemeinsam Kredite am Finanzmarkt aufnehmen und auch gemeinsam für die Rückzahlung der Zinsen haften. Länder, die hoch verschuldet sind, würden so günstigere Zinsen bekommen, weil Länder wie Deutschland mit haften. Dies könnte ein wichtiges Instrument sein, um die Märkte zu beruhigen. Allerdings muss es an strenge Kriterien gebunden sein. Wer gegen Auflagen verstößt, muss einen Teil der Haushaltssouveränität abgeben.
  • Unverzichtbar ist eine effektive Regulierung der Finanzmärkte. Sie muss in Europa und weltweit entschlossen voran getrieben werden. Das Volumen des spekulativen Kapitalmarktes, der sich nahezu jeder Aufsicht entzieht, ist nach der Krise nicht gesunken, sondern wieder gewachsen.
  • Eine politische Aufgabe ersten Ranges ist die gemeinsame Wirtschaftsregierung, die koordinierte Europäische Wirtschafts- und Finanzpolitik. So schwierig dieser Schritt ist, so unausweichlich wird er sein. Die Europäische Wirtschaftsregierung muss die staatlichen Ausgaben stärker koordinieren, Haushalte schärfer kontrollieren und die gemeinsamen Wettbewerbsregeln im Binnenmarkt umfassender harmonisieren.