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Pflegereform durchführen

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Die Pflegeversicherung hat sich als solidarische und paritätisch finanzierte Sozialversicherung bewährt. Die Entscheidung der Bundesregierung, eine freiwillige private Zusatzversicherung Pflege einzuführen, ist falsch. Der sogenannte „Pflege-Bahr“ benachteiligt Geringverdiener und nutzt nur Besserverdienenden. Die Zusatzversicherung kommt überproportional denen zugute, die durch ein hohes Einkommen sowieso am besten vorsorgen können. Menschen mit geringen Einkommen können die zusätzlichen Eigenleistungen oft nicht aufbringen und die Förderung nicht in Anspruch nehmen. Darüber hinaus ist das Produkt gerade für ältere Menschen höchst unattraktiv. Die Versicherungsprämien sind nach Alter gestaffelt und steigen mit zunehmenden Alter stark an. Gerade für die geburtenstarken Jahrgänge der 50er und 60er Jahre wird demnach eine solche Versicherung unattraktiv.

Die schwarz-gelbe Koalition drückt sich mit ihrem Pflege-Bahr vor der Aufgabe, die Finanzierung der Pflegeversicherung auf eine langfristige solide Grundlage zu stellen. Die Pflegepolitik muss auf den demographischen Wandel vorbereitet werden. In ihrem Antrag fordert die SPD-Bundestagsfraktion die Bundesregierung daher auf, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Der Pflegebedürftigkeitsbegriff muss reformiert werden: Dementiell erkrankte Menschen, psychisch Kranke und pflegebedürftige Kinder sollen dabei berücksichtigt werden. Die Pflegeberatung ist auszubauen. Pflegepersonen müssen durch Beratung und die bessere Vereinbarkeit von Pflege und Beruf unterstützt werden. Pflegekräfte brauchen bessere Arbeits- und Entwicklungsbedingungen: Dazu gehören eine reformierte und gebührenfreie Ausbildung, höhere Bezahlung und geregelte Weiterbildungsmöglichkeiten. Weiterhin ist die kommunale Pflegeinfrastruktur auszubauen. Vor allem die häusliche Pflege muss unterstützt werden. Schließlich muss eine Bürgerversicherung für die Pflege eingeführt werden.

Den Antrag der SPD-Bundestagsfraktion finden Sie unter: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/099/1709977.pdf

Praxistag im Justizvollzugskrankenhaus in Fröndenberg

Wie es gehen kann, sich um kranke Menschen zu kümmern, die sich in Haft befinden, konnte ich bei meinem Praxistag im Justizvollzugskrankenhaus Fröndenberg (JVK) erleben. Einblicke gewinnen, mit Praktikern reden, zuhören und Schlussfolgerungen für die Politik in Berlin ziehen – das waren die Ziele dieses Tages. Kennengelernt habe ich dabei einen medizinischen Betrieb, der in Nordrhein-Westfalen einzigartig ist.

Den Beginn des Tages markieren verschiedene Lagebesprechungen. Und schon hier wird das Spannungsfeld deutlich, in dem das JVK arbeitet: medizinische Versorgung unter den Bedingungen des Strafvollzugs. So geht es neben den medizinischen Fragen auch darum, welche Sicherungsmaßnahmen notwendig sind und wie sich der Betrieb auf Neuzugänge einstellt. Das Krankenhaus liegt hinter einer dicken Gefängnismauer.

Das JVK wurde 1986 im ehemaligen städtischen Krankenhaus Fröndenberg eingerichtet. Es hat etwa 200 Betten und versorgt im Jahr ca. 3.500 Patienten stationär und 7.000 bis 8.000 Patienten ambulant. Es ist zuständig für die medizinische Versorgung der Inhaftierten aus allen 37 Justizvollzugsanstalten Nordrhein-Westfalens und nimmt teilweise Patienten aus anderen Bundesländern auf. Mit etwa 300 Beschäftigten (davon ca. 200 im medizinisch-pflegerischen Bereich) ist es der größte Arbeitgeber der Stadt.

Ob die Beschäftigten den Vollzug als zusätzliche Belastung empfinden, wollte ich wissen. Das Schließen unzähliger Türen ist dabei allen Menschen, ob auf der Station, der Ambulanz oder in der Küche, schnell ins Blut übergegangen. Und auch die Tatsache, dass man hier mit Inhaftierten umgeht, ist manchmal im Hinterkopf abgelegt. Die Sicherungsmaßnahmen werden konsequent befolgt, aber ich gewinne schnell den Eindruck, dass der gesamte Betrieb in erster Linie darauf ausgerichtet ist, kranken Menschen medizinisch zu helfen. Auch im Gespräch mit Vollzugsbeamten wird deutlich, dass sie ihre Aufgabe darin sehen, die medizinische Arbeit so gut wie möglich zu sichern.

Im Laufe des Tages hatte ich die Gelegenheit, Innere Medizin, Chirurgie, Intensivstation und Psychiatrische Abteilung kurz kennenzulernen. Dabei lerne ich, dass das JVK insgesamt zwar mit allen Krankheitsbildern konfrontiert wird, die sich auch in anderen Krankenhäusern wieder finden. Es gibt jedoch eine andere Häufung bei Krankheiten, die sich insbesondere aus den Bedingungen des Vollzugs und der Vorprägung der Patienten ergeben. Oft sind es auch jahrelang verschleppte Erkrankungen, die hier erstmals strukturiert therapiert werden. Mein besonderes Interesse hat die Psychiatrie geweckt, für die die Experten einen eher noch wachsenden Bedarf erkennen. Und so hoffe ich, dass es vielleicht eine Möglichkeit gibt, das Thema bei anderer Gelegenheit noch einmal zu vertiefen.

Für das Land Nordrhein-Westfalen macht das Krankenhaus durchaus Sinn. Das JVK ist keine Kurklinik sondern ein Krankenhaus, das dazu dient, Erkrankungen zu heilen und damit nicht zuletzt dazu beizutragen, dass die Inhaftierten danach den Vollzug fortsetzen können und Haftverschonung damit ausgeschlossen werden kann. Oft wird hier auch die Grundlage für eine erfolgreiche Resozialisierung gelegt. Eine ordentliche medizinische Versorgung gehört ohnehin zu den Bedingungen, den das Land sich für den Vollzug gesetzt hat. Deshalb hat das JVK im gesamten Strafvollzug in Nordrhein-Westfalen einen herausgehobenen Stellenwert und ist vielleicht auch bundesweit ein Vorbild.

Den Abschluss meines Praxistages bildete der Besuch von Haustechnik und Küche. Auch hier wird mir klar, wie wichtig es ist, dass in einem medizinischen Betrieb ein Rädchen ins Andere greift. Ein Krankenhaus ist nun mal ohne Wärme- und Kältetechnik, medizinische Spezialtechnik oder ein warmes Essen unter Berücksichtigung aller Diät- und sonstiger Vorgaben nicht möglich.

Alles in allem ist für mich klar geworden, dass das JVK eine Einrichtung ist, die für Fröndenberg und für unsere Region Bedeutung hat und in der professionell gearbeitet wird. Professionell wird so ein Betrieb aber nicht per Erlass, sondern erst durch die Menschen, die jeden Tag darin mit ihrem Fachwissen, mit ihrer Erfahrung, ihren Ideen und mit vollem Herzen ihren Job machen. Deshalb möchte ich auch allen Menschen in Medizin, Pflege, Technik, Küche und Vollzug, die ich an diesem Tag treffen konnte und die mir mit so großer Offenheit begegnet sind, herzlich für einen lehr- und erkenntnisreichen Tag danken!